Wohnspekulation in Meidling
Wohnen ist nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern ein Menschenrecht!
Wohnspekulanten aber verfolgen in erster Linie Profitinteressen. Die Mieter:innen sind ihnen in der Regel gleichgültig.Wir haben uns in Meidling umgeschaut, welche Praktiken Spekulanten anwenden, um Mieter:innen das Leben schwer zu machen, mit dem Ziel, sie loszuwerden.
Was ist Wohnspekulation?
Wohnspekulation bedeutet den Kauf von Immobilien mit der Absicht, durch steigende Preise Profit zu erzielen. Dabei wird eine Immobilie, z.B. ein Gründerzeithaus, nicht für den eigenen Gebrauch oder zur langfristigen Vermietung gekauft, sondern mit dem Ziel, sie zu einem höheren Preis entweder gesamt oder die einzelnen (sanierten oder neu gebauten) Wohnungen sowie neue Dachausbauten wieder zu verkaufen. Das Ziel von Wohnspekulation besteht nicht darin, leistbaren Wohnraum für Menschen bereitzustellen, sondern – und das möglichst rasch – eine Wertsteigerung zu erzielen.
Wie funktioniert Wohnspekulation?
- Kauf der Immobilie: Ein Investor oder Spekulant kauft eine Immobilie, oft in einem aufstrebenden Stadtteil, in dem ein Anstieg der Immobilienpreise erwartet wird, z.B. durch die Aufwertung eines Grätzls durch Begrünung, Begegnungszonen oder Entsiegelung. Oft profitieren Spekulanten auch von öffentlichen Investitionen, etwa in Infrastrukturprojekte wie neue U-Bahnlinien.
- Warten auf Wertsteigerung: Entweder wartet der Spekulant darauf, dass die Immobilie durch eine solche Aufwertung des Gebiets oder eine allgemeine Zunahme der Immobilienpreise – quasi von alleine – im Wert steigt, oder er saniert die Immobilie und nimmt einen Dachausbau vor – oder reißt das Haus ab, um neu zu bauen. In jedem Fall müssen Mieter:innen dafür vertrieben werden – „ausmieten“ wird das in der Szene genannt.
- Verkauf der Immobilie und Gewinn aus der Wertsteigerung: Sobald die Immobilie an Wert gewonnen hat, verkauft der Spekulant sie ganz oder in Teilen zu einem höheren Preis und damit gewinnbringend weiter. Der Gewinn entsteht also nicht durch Mieteinnahmen, sondern durch die spekulative Wertsteigerung der Immobilie.
Druck auf die Mieter:innen
Auf dem Immobilienmarkt gilt die Regel: Je weniger Mieter:innen in einem Haus wohnen, desto höher ist sein wert. Daher versuchen Spekulanten in den meisten Fällen sehr schnell, die Bewohner:innen eines Hauses, insbesondere alte Mieter:innen mit günstigen Mietverträgen, loszuwerden. Wie hier vorgegangen wird, zeigen die folgenden Beispiele. Auch ein Dokumentarfilm des Moment Magazins befasst sich sehr anschaulich damit, wie mit den Mieter:innen umgegangen wird.
Spekulationshäuser in Meidling
Zinshaus in Altmannsdorf (Mieter:innen wollen anonym bleiben)
Das Haus wechselte 2021 seinen Eigentümer. Wir sprachen mit einem langjährigen Bewohner darüber, was danach geschah:
- Die Mieten der Altmieter:innen wurden plötzlich erhöht. Die Mieter:innen gingen dagegen vor Gericht vor und bekamen Recht.
- Kündigungen wurden ausgesprochen: Alle Mieter:innen, die nicht in der Lage waren, ihren Wohnbedarf nachzuweisen oder etwa vergaßen, ihre Daueraufträge anzupassen, wurden sofort gekündigt. Einigen von ihnen gelang es, die Kündigung vor Gericht erfolgreich zu bekämpfen. Die Kosten dafür mussten dennoch sie tragen.
- Die Betriebskosten schnellten in die Höhe: Ein Mieter berichtet, dass etwa die Liftwartung von einer vollständigen auf eine teilweise Wartung umgestellt wurde – die Kosten jedoch erheblich stiegen.
- Neue Mieter:innen wurden mit befristeten oder Untermietverträgen einquartiert. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Migrant:innen, die allein aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oft nicht über ihre Rechte Bescheid wissen.
- Notwendige Reparaturen werden nicht mehr vorgenommen oder verzögert: Dies betrifft oft auch Kleinigkeiten. So wurde eine kaputte Bodenfliese, die für ältere Bewohner:innen eine Stolpergefahr darstellte, erst nach wiederholten Interventionen und nach mehreren Monaten ausgetauscht.
Schönbrunner Straße 276 („Kutscherhaus“):
Das historisch sehr wertvolle Haus ist unbewohnt. Im November 2022 wurde das Dach abgedeckt, seit spätestens Juni 2023 fehlt es komplett (Wien schauen). Die ungeschützte Bausubstanz bleibt der Witterung ausgesetzt, da keine Baufortschritte erkennbar sind. Bereits vor zwei Jahren berichtete die Tageszeitung Der Standard über die Baustelle. Wie ist heute die Lage vor Ort?:
- Eine Hinweistafel gemäß § 124 Abs. 2a der Wiener Bauordnung aus 2021 nannte den Baubeginn mit 20.8.2021 und als Vorhaben eine „Deckensanierung“. Am 15.3.2025 war dort der Baubeginn mit 31.10.2022 und das Vorhaben als „bauliche Änderungen“ angegeben.
- Die Fassade wurde abgeschlagen, Kamine entlang der Nachbarmauer entfernt, sodass die unverputzte Ziegelwand offenliegt.
- Der Gehsteig ist durch das Baugerüst seit Jahren eingeengt, was die Sicherheit von Fußgänger:innen und die Nutzung des öffentlichen Raums beeinträchtigt.
In der Bezirksvertretungssitzung Ende März 2025 stellten wir eine neuerliche Anfrage zum Schutz sowohl der historischen Bausubstanz und zur Sicherheit der Fußgänger:innen an den Bezirksvorsteher.

Gaudenzdorfer Gürtel 41
Das Haus am Gaudenzdorfer Gürtel 41 ist ein besonders krasser Fall des Ausnützens menschlicher Notlagen. Hier wurden heruntergekommene Wohnungen an Menschen, die nach Österreich geflüchtet waren, quasi als Zwischennutzung vermietet. Die Mieter:innen hatten überteuerte Untermietverträge und mussten über Jahre ohne Strom und Heizung auskommen. Schäden im Haus wurden nicht repariert. Und, als man die Bewohner:innen wieder loswerden wollte, wurden sie sogar mutwillig vom Eigentümer herbeigeführt, z.B. die Wohnungstüren eingetreten und die Hauptwasserleitung gekappt. Wir haben im Dezember 2023 einen Antrag auf Zwangsverwaltung gestellt. Diese wurde jedoch nicht durchgeführt, da die SPÖ-geführte Stadtregierung argumentiert, dass ein Haus, das nicht als Wohngebäude gewidmet ist, nicht per Mietrechtsgesetz zwangsverwaltet werden kann.

Ehrenfelsgasse 4
Von den rund 30 Wohnungen in diesem Haus, in dem sich bis vor kurzem auch das beliebte Gasthaus Stafler befand, sind nur noch sehr wenige bewohnt. Allein der wunderschöne Gastraum des Stafler sollte unbedingt erhalten bleiben. Jedoch: Das Erscheinungsbild des gesamten Hauses ist verwahrlost und gibt Anlass zur Sorge: Das Haustor ist durchgehend offen, die Gänge sind verschmutzt, die Briefkästen zum Teil aufgebrochen. Im Grundbuch ist die ALDEBARAN-Privatstiftung als Eigentümerin angeführt.
Haus in Obermeidling (Mieter:innen wollen anonym bleiben)
Nach einem Erbschaftsstreit wurde das Haus vor rund fünf Jahren innerhalb eines Jahres zweimal verkauft – jeweils an private Immobilienentwicklungsfirmen. Die Wertsteigerung zwischen diesen beiden Verkäufen betrug eine Million Euro. Seither stehen fünf von acht Wohnungen leer. Der neue Eigentümer erhöhte die Mieten der verbleibenden Mieter:innen, wogegen sich diese erfolgreich zur Wehr setzten. Auch die Betriebskosten erhöhten sich deutlich. Reparaturen am Haus werden, falls überhaupt, oft nur nach wiederholten Interventionen durchgeführt. An der Hofseite des Hauses lösen sich seit einem Jahr immer wieder Fassadenteile. Dies wurde der Hausverwaltung wiederholt gemeldet. Geschehen ist bis dato nichts. Mittlerweile ist dem Gründerzeithaus die Vernachlässigung sowohl innen wie auch außen immer deutlicher anzusehen. Der Eigentümer hat Interesse an einem Dachausbau bekundet, um die neuen Wohnungen danach als Privateigentum verkaufen zu können.
Wie kann man sich gegen Wohnspekulation zur Wehr setzen?
Leider ist das Mietrecht in Österreich recht komplex und für Lai:innen oft nicht einfach zu durchschauen. Dementsprechend kennen viele Mieter:innen ihre Rechte und Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, nicht oder zu wenig. Auch darauf „spekulieren“ die Spekulanten. Eine Prüfung und Rückforderung überhöhter Betriebskosten erfolgen zudem in den meisten Fällen auf individueller Basis. Das heißt, jede:r Mieter:in muss sich einzeln darum kümmern.
Die Wiener Grünen haben in den vergangenen Jahren Jahren wiederholt konkrete Vorschläge u.a. für ein neues Mietrecht, gesetzlich geregelte Höchstmieten und gegen Leerstände gemacht.
Was Betroffene tun können:
- Missstände dokumentieren und melden: Anlaufstellen sind u.a. die Gebietsbetreuung und die Mieterhilfe, die kostenfreie Beratung anbietet.
- Mit den Nachbar:innen sprechen und vernetzen: Ein gemeinsames und geschlossenes Auftreten der Mieter:innen macht es für Vermieter:innen schwerer.
- Mieten überprüfen: Hier hilft der Wiener Mietenrechner bei einer Ersteinschätzung.
- Betriebskosten überprüfen: Hier kann bei der Schlichtungsstelle ein Antrag auf Überprüfung gestellt werden.
- Hilfreich sind, falls leistbar, die Mitgliedschaft in einer Mieterschutz-Organisation sowie der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung, die mietrechtliche Angelegenheiten inkludiert.
- Missstände öffentlich machen!
Auch du wohnst in einem Meidlinger Haus, das von Spekulation betroffen ist? Dann schreib uns an: meidling@gruene.at


