Alle Jahre Frauentag? Hier brauchen wir einen „Klimawandel“!

Wie jedes Jahr ist auch heuer der 8. März wieder Internationaler Frauentag. Dieser Tag hat seinen Ursprung im weltweiten Kampf von Frauen für ihr Wahlrecht und bessere Arbeitsbedingungen. Ersteres gibt es in Österreich seit 1918. Zumindest für Staatsbürgerinnen. Allein bei zweiterem gibt es jedoch noch eine große Menge an Baustellen.
Der mühsame Kampf um gleiche Rechte …
Als ich persönlich begann, mich mit feministischen Forderungen zu beschäftigen, tat ich dies in der großen Hoffnung, dass sich die in den Jahren zuvor stetig erkämpften Frauenrechte selbstverständlich auf alle Lebensbereiche ausweiten würden. Nicht von alleine, denn soziale Rechte müssen stets mit politischem Druck eingefordert werden. Doch schließlich können wir Frauen auf eine Jahrhunderte lange Erfahrung im Erkämpfen unserer Rechte zurückblicken.
… ist noch lange nicht vorbei!
Im Jahr meiner Geburt wurde die Fristenlösung eingeführt, kurz darauf durften verheiratete Frauen ohne Genehmigung ihres Ehemannes eine Erwerbsarbeit aufnehmen. Ich war der festen Überzeugung, dass auch die letzten der absurden Ungleichbehandlungen – Stichwort Lohnschere oder Haus- und Pflegearbeit – ein baldiges Ablaufdatum hätten. Weil sie ja auch durch nichts zu rechtfertigen sind. Dachte ich damals. Das war zu Beginn meines sozialwissenschaftlichen Studiums und vor mittlerweile rund 30 Jahren …
Weniger Einkommen, mehr Arbeit, kleinere Wohnungen
Seither hat sich am Status Quo der fehlenden Gleichberechtigung in den meisten Bereichen kaum etwas verändert:
- Frauen verdienen im Schnitt immer noch um 12,7 Prozent weniger als Männer. Unter Berücksichtigung von Teilzeitarbeitsverhältnissen sind es laut Arbeiterkammer sogar 35%.1 Dies ist der so genannte „Gender Pay Gap“ oder die Einkommensschere.
- Der „Gender Wealth Gap“, also die Schere in der Vermögensverteilung, ist noch größer. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 besaßen Frauen im Schnitt um 23% weniger Nettovermögen als Männer. Im reichsten einen Prozent befindet sich nur rund ein Viertel des Vermögens im Besitz von Frauen.2 Hier muss darauf hingewiesen werden, dass Studien zur Vermögensverteilung auf immer Umfragen und Schätzungen beruhen.
- Bei den Pensionen liegt die geschlechtsspezifische Lücke laut Statistik Austria noch immer bei satten 41,6 Prozent.3
- 2016 hatten 3,7 Prozent aller Frauen Führungspositionen inne. Bei Männern waren es 8,1 Prozent.4 Die gläserne Decke hat heute bestenfalls kleine Sprünge bekommen.
- 83 Prozent aller Frauen in Österreich verrichten täglich Arbeit in Haushalt oder Küche. Bei den Männern sind dies 28 Prozent.5 Auch die häusliche Betreuung der rund 80 Prozent aller privat versorgten Pflegebedürften wird überwiegend von Frauen geleistet.6
In Summe führt all dies dazu, dass Frauen heute unter Preissteigerungen bei Lebensmitteln, überteuerten Mieten und Energiekosten ungleich stärker leiden als Otto (=Mann) Normalverbraucher. Dies betrifft die alleinlebende Pensionistin genauso wie die junge Alleinerzieherin. Die Folgen dieser ungerechten Ungleichverteilung sind vielfältig. Unter anderem wirkt Armut auch auf unsere Demokratie, denn sie verringert die politische Teilhabe. Antworten wie jene der Gemeinde Wien, die etwa in der Errichtung leistbarer „Alleinerzieherinnen-Wohnungen“ auf dem Areal der Remise in der Meidlinger Wolfganggasse bestehen, tragen wohl kaum zu einer strukturellen Veränderung bei. Durch die Brille der „Leistbarkeit“ werden dort zwei Zimmer und maximal 55 m2 als ausreichend für eine Frau mit einem oder mehreren Kindern erachtet.
Frauenpolitik im Bezirk
Aber auch in der Bezirkspolitik sind Frauenrechte ein Thema, das in verschiedene Bereiche hineinspielt – oder dies zumindest sollte. So legen in Wien 31 Prozent der Frauen ihre Wege zu Fuss zurück. Bei Männern sind das nur 24 Prozent. Beim Autofahren verhält sich genau umgekehrt.7 Attraktive und sichere Straßen und Gehwege, lebenswerte Grätzl, grüne Aufenthaltsräume im Freien und erschwingliche Nahversorgung erleichtern es daher gerade Frauen, ihren oft von Mehrfachbelastungen geprägten Alltag selbstbestimmt einfacher zu gestalten. Deshalb fordern wir Meidlinger Grüne unter anderem, dass:
- Raumplanung geschlechtergerecht erfolgt und der öffentliche Raum fair verteilt wird
- nachhaltige Mobilität und Zu-Fuß-Gehen in immer größeren Teilen unseres Bezirks sicher und bequem möglich sind, u.a. durch breitere Gehsteige, Tempo 30 sowie häufigere und längere Grünphasen bei Ampeln für Fussgänger*innen und Radfahrende
- Frauen im Bezirk sichtbar sind, z.B. durch die Neu- oder Umbenennung von Straßen und Plätzen nach herausragenden Meidlingerinnen, wie Gertrude Pressburger, Holocaust-Zeitzeugin und mahnende Stimme in einem viralen Video aus dem Präsidentschaftswahlkampf 2016, oder Hanna Berger, fast vergessene, aber wegweisende Tänzerin und Choreografin
- Frauen dazu ermutigt werden, Kulturprojekte umzusetzen und einen fairen Anteil vom Kulturbudget einzufordern.
- das Gender-Budget, das Meidling als einziger Wiener Bezirk durchführt, verstärkt für Bewusstseinsbildung und konkrete Maßnahmen genutzt wird, um die Lebensrealität für Frauen und Mädchen im Bezirk zu verbessern.
In den vergangenen Jahren wurden Frauen wiederholt als Heldinnen des Alltags gefeiert. Gleiche Rechte werden ihnen nach wie vor verwehrt. Hier braucht es endlich einen gesellschaftlichen „Klimawandel“ – und zwar schnell!
[1] https://jobs.derstandard.at/lebenslauf-und-bewerben/gender-pay-gap-wie-hoch-ist-die-einkommensschere/ (1.3.2023)
[2] https://awblog.at/gender-wealth-gap-frauen-besitzen-weniger-vermoegen-als-maenner/ (1.3.2023)
[3] https://statistik.gv.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/gender-statistiken/pensionen (1.3.2023)
[4] https://www.derstandard.at/story/2000078781782/gender-pay-gap-hat-sich-in-20-jahren-nicht-veraendert (1.3.2023)
[5] https://de.statista.com/infografik/15857/verteilung-von-hausarbeit-bei-maennern-und-frauen/ (1.3.2023)
[6] https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/pflege/5/Seite.360524.html (1.3.2023)
[7] https://blog.stadtentwicklung.wien.gv.at/wp-content/uploads/sites/57/2021/03/Vert_Ausw_Aktiv_Mobili_Endb_21.01.2021.pdf (1.3.2023)